Die Wünsche des Bauern
Es war einmal ein armer chinesischer Reisbauer, der trotz
all seines Fleißes in seinem Leben nicht vorwärts kam. Eines
Abends begegnete ihm der Mondhase, von dem jedes Kind weiß,
dass er den Menschen jeden Wunsch erfüllen kann.
"Ich
bin gekommen", sagte der Mondhase, "um dir zu helfen. Ich
werde dich auf den Wunschberg bringen, wo du dir aussuchen
kannst, was immer du willst."
Und ehe er sich versah, fand sich der Reisbauer vor einem
prächtigen Tor wieder. Über dem Tor stand geschrieben:
"Jeder Wunsch wird Wirklichkeit".
"Schön", dachte der
Bauer und rieb sich die Hände, "mein armseliges Leben hat
nun endlich ein Ende." Und erwartungsvoll trat er durch das
Tor.
Ein weißhaariger, alter Mann stand am Tor und begrüßte den Bauern mit den Worten: "Was immer du dir wünschst, wird sich erfüllen. Aber zuerst musst du ja wissen, was man sich überhaupt alles wünschen kann. Daher folge mir!"
Der alte Mann führte den Bauern durch mehrere Säle, einer
schöner als der andere. "Hier", sprach der Weise, "im ersten
Saal siehst du das Schwert des Ruhms. Wer sich das wünscht,
wird ein gewaltiger General; er eilt von Sieg zu Sieg und
sein Name wird auch noch in den fernsten Zeiten genannt.
Willst du das?"
"Nicht schlecht", dachte sich der
Bauer, "Ruhm ist ein schöne Sache und ich möchte zu gerne
die Gesichter der Leute im Dorf sehen, wenn ich General
werden würde. Aber ich will es mir noch einmal überlegen."
Also sagte er: "Gehen wir erst einmal weiter."
"Gut,
gehen wir weiter", sagte lächelnd der Weise. Im zweiten Saal
zeigte er dem Bauern das Buch der Weisheit. "Wer sich das
wünscht, dem werden alle Geheimnisse des Himmels und der
Erde offenbar." sagte er. Der Bauer meinte: "Ich habe mir
schon immer gewünscht viel zu wissen. Das wäre vielleicht
das Rechte. Aber ich will es mir noch einmal überlegen."
Im dritten Saale befand sich ein Kästchen aus purem Gold.
"Das ist die Truhe des Reichtums. Wer sich die wünscht, dem
fliegt das Gold zu, ob er nun arbeitet oder nicht." waren
die Worte des alten Mannes.
"Ha!", lachte der Bauer,
"Das wird das Richtige sein. Wer reich ist, der ist der
glücklichste Mensch der Welt. Aber Moment - Glück und
Reichtum sind ja zwei verschiedene Dinge. Ich weiß nicht
recht. Gehen wir noch weiter."
Und so ging der Bauer von Saal zu Saal, ohne sich für etwas
zu entscheiden. Als sie den letzten Saal gesehen hatten,
sagte der alte Mann zum Bauern: "Nun wähle. Was immer du dir
wünschst, wird erfüllt werden!"
"Du musst mir noch
ein wenig Zeit lassen", sagte der Bauer, "Ich muss mir die
Sache noch etwas überlegen." In diesem Augenblick aber ging
das Tor hinter ihm zu und der Weise war verschwunden.
Der Bauer fand sich zu Hause wieder. Der Mondhase saß wieder vor ihm und sprach: "Armer Bauer, wie du sind die meisten Menschen. Sie wissen nicht, was sie sich wünschen sollen, sie wünschen sich alles und bekommen nichts. Was immer sich einer wünscht, das schenken ihm die Götter - aber der Mensch muss wissen, was er will ..."